The Good Life

Er möchte sich kreativ und emotional ausleben, zugleich macht er damit andere Menschen glücklich. Ein Gespräch mit Tim Kasher über das neue Album von The Good Life und über Musik als Lebensinhalt.



"what i really always wanted to do, was to become a writer."
(tim kasher)


Wie kaum ein anderer verkörpert Tim Kasher das Prinzip von Saddle Creek. Aufgewachsen in Omaha war er von Anfang an Teil des Labels und stellt mit darauf erscheinenden Veröffentlichungen seiner Bands The Good Life und Cursive unter Beweis, wie groß sein kreativer Output ist. Dieser wurde im Februar auch in Deutschland auf die Bühne getragen, Anlass war die Veröffentlichung von The Album Of The Year, dem kleinen Meisterwerk von The Good Life. Im Gespräch macht Tim deutlich, welche Bedeutung Musik für ihn hat und warum ihm die Neubesetzung des Wortes Emo so sehr missfällt.

Euer neues Album liegt dem tendenziell eher statischen Konzept eines Zyklus zu Grunde. Hattest Du dieses Konzept von Beginn an im Kopf?
"Ich hatte schon vor ein paar Jahren die Idee, ein Album zu schreiben, das sich inhaltlich in dem Zyklus von einem Jahr bewegt, aber es ergab sich nie die Gelegenheit, sie umzusetzen. Als ich dann die ersten Songs für das neue Album schrieb, spürte ich, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, dieses Konzept auszuprobieren."

Der Name “Album Of The Year” impliziert eine gewisse Selbstsicherheit, andererseits klingen die Songs teilweise sehr melancholisch und fragil. Wie gelang es, die Balance zwischen diesen beiden Polen zu halten?
"Uns war von Anfang an klar, dass viele den Titel missverstehen würden. Mich amüsiert irgendwie, dass die Leute so eine wahnsinnig eigenständige Interpretation von unserem Schaffen haben. Aber der Name gibt einfach sehr gut den Charakter des Albums wieder. Es ging mir ja darum, ein Album für diese Frau zu schreiben to fulfill the story."

Das Album klingt teilweise sehr britisch.
"Ja, ich bin mit sehr viel English Pop aufgewachsen, habe viel von den Smiths, The Cure, The Specials und so gehört, der ganze 80er-Jahre-Kram eben. Das hat sich auf jeden Fall in diesem Album niedergeschlagen, auch wenn ich ja ursprünglich eher aus der Songwriterecke komme, Tom Waits und Elvis Costello haben mich besonders inspiriert. Was mich als nächstes gepackt hat waren Fugazi. Die Rhythmen und die Aggressivität sind phantastisch, besonders der Cursive-Sound ist stark davon beeinflusst."

The Good Life und Cursive haben jeweils einen eigenen sehr charakteristischen Sound. Hängt das stärker mit deinem Songwriting oder den Aufnahmen im Studio zusammen, wenn die übrigen Bandmitglieder in den Entwicklungsprozess eingebunden sind?
"Grundsätzlich gehe ich unterschiedlich an den Kompositionsprozess heran, denn meistens bin ich mir vorher schon im Klaren, ob ich den Song dann mit Cursive oder The Good Life umsetzen möchte. Aber natürlich haben die anderen im Studio auch mitzureden. Bei den Texten ist das weniger der Fall. Ich begreife mich als eigenständigen Autor, unabhängig von dem Projekt an dem ich arbeite. Es sind in jeder Band immer noch meine Lyrics, aber sie sind selbstverständlich auf die Musik abgestimmt, weshalb es letzten Endes auch Unterschiede gibt."

Du bist gleichzeitig Frontmann von The Good Life und Cursive, kommt es da öfters zu Reibungen?
"Natürlich, aber bis jetzt habe ich das recht gut hinbekommen. Es sind schließlich viele Leute in beiden Bands involviert, die gleichzeitig auch noch mit manch anderen Projekten beschäftigt sind, da liegt das in der Natur der Sache. Aber bis jetzt sind wir alle mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Die meisten von uns kennen sich ja fast schon aus dem Sandkasten. Wir sind also recht gut aufeinander abgestimmt und wissen miteinander umzugehen. Wir haben schon als Teenager gemeinsam in verschiedenen Bands gespielt. Was wir damals aufgebaut haben führen wir auch fort, was ja typisch für viele lokale Szenen in den USA ist. Natürlich gibt es auch gewisse Wechsel, manche steigen aus, andere Musiker stoßen dazu, wir leben in einem Zustand der Veränderung. Trotzdem ist noch vieles wie früher."

Saddle Creek hat ja derzeit einen sehr großen Erfolg. Wie stark ist da noch der Bezug der lokalen Szene zum Label?
"Saddle Creek ist einfach Teil des Ganzen. Als wir mit dem Label angefangen haben, ging es uns einfach darum, unsere Musik veröffentlichen zu können. Heute arbeitet Saddle Creek immer noch als Kollektiv, soweit das technisch noch funktioniert. Wenn schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden, versuchen wir, möglichst viele der involvierten Personen zu beteiligen. Der große kommerzielle Erfolg im Moment ist da wie ein Erdbeben. Die Verantwortungen bleiben alle quasi in der Familie und das ist eine große Herausforderung. Besonders die Bright Eyes Veröffentlichungen machen mir fast schon Angst, weil das einfach eine so große Sache geworden ist, und weil sie einen unglaublichen Einfluss auf die gesamte Musikszene in den USA und auch weltweit haben. Saddle Creek ist an seine Grenzen gelangt, größer kann es eigentlich nicht mehr werden. Es gibt auch Veränderungen, weil wir alle älter werden, aber das ist ja keine schlechte Sache. Und vor allem kann Saddle Creek in den nächsten Jahren in sicheren finanziellen Verhältnissen weitermachen, was ein sehr beruhigendes Gefühl ist."

Du hast einen riesigen Output, spürst Du da manchmal Momente der Leere?
"Selten. Ich mache seit ca. 16 Jahren Musik, und durch die Veränderungen in der Zeit habe ich auch ein anderes Verhältnis zur Musik gewonnen. Sie ist ein noch natürlicherer Bestandteil meines Lebens als früher. Was mich im Allgemeinen sehr stört ist die Industrialisierung von Musik, weil vieles nicht ernst genommen wird und viele nicht wirklich an die Musik glauben die sie produzieren und veröffentlichen. Stattdessen wird versucht, die Fans auszuquetschen und möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen. Das ist so unglaublich gefühllos. Darum geht es mir nicht, ich möchte mich kreativ und emotional ausleben und den Menschen einfach eine gute Zeit bereiten. Und es ist großartig, wie sich Jugendliche davon inspirieren lassen selber Musik zu machen und sich am Songwriting ausprobieren. Es ist schade, dass dieses Wort Emo neu besetzt und jetzt dabei ein negativer Unterton mitschwingt. Es schreckt davon ab, Musik zu schreiben, die auf Gefühlen basiert und von Bestand sein kann. Emotion wurde zu einem bösen Wort, it’s like a world scared of drama. Es ist absurd."

Hast Du jemals darüber nachgedacht, das professionelle Musikmachen aufzugeben?
"Als ich mit Musik angefangen habe war ich überrascht, was für tolle Reaktionen ich bei meinen Auftritten bekam, because what i really always wanted to do was to become a writer. Von dem Moment an spürte ich, dass ich dieses Musikding durchziehen möchte. Meine wildesten Träume waren damals, Erfolg zu haben und mein Leben mit Musik zu verbringen. Eigentlich ist es ja eine sehr seltsame Sache, vom eigenen Künstlertum zu leben. An genau diesem Punkt bin ich angelangt und ich könnte mir nichts Großartigeres vorstellen. Aber ich bin mir bewusst, dass auch eine große Portion Glück dazugehört. Deshalb habe ich noch keine Sekunde an den Gedanken verschwendet, einen Großteil meiner Zeit einer anderen Sache zu widmen."
foto: simon traut

the good life
cursive