Gluecifer [Hamburg/Berlin, 11./12.11.2004]

Let there be sound, let there be light, let there be... Gluecifer.
Die Skandinavier Gluecifer, Captain Murphy und Bonk beobachtet während zweier Auftritte ihrer Automatic Thrill Tour.



"i wann see every single one of you, worship the true kings of hard rock!"
(biff malibu)

Die norwegischen Kings of Rock gaben in der Markthalle zu Hamburg ihr Auftaktkonzert der Automatic Thrill Tour 2004. Mitgebracht hatten sie die ebenfalls aus Norwegen stammenden Bonk und Captain Murphy aus Schweden.

Leider füllte sich die Halle nur sehr langsam und so hatten Bonk schließlich die undank-bare Aufgabe, vor gerade mal einer Hand voll Zuhörern mit ihrem Set zu beginnen. Allerdings verpassten die draußen Wartenden auch nicht sehr viel. Ab und an blitzten bei ihren heavy rockenden Songs zwar tolle Ansätze hervor, aber die Musiker wirkten doch arg angestrengt. So richtig Atmosphäre wollte dabei leider keine aufkommen. Dafür trumpften die darauf folgenden Captain Murphy umso mehr auf. Ihr wilder 70ies Sound lässt sich wohl am Besten mit einer Mixtur aus Led Zeppelin, The Who und den Beatles beschreiben. Neuere Referenzen wären wohl die Datsuns, die Hives und frühe Hellacopters.Gepaart mit tollen Posen und unbändiger Spielfreude, fielen vor allem Rhythmusgitarrist Victor Hvidfeldt und der Bassist Johnny Borgström auf. Und spätestens als ihr Sänger und Solo-Gitarrist Sonny Boy Gustafsson sich samt Gitarre unters Publikum mischte und sogar ausgewiesene Tanzmuffel zum Schwingen der Hüften brachte, da war klar, dass diese Band großartig ist. Allerdings sollte man schon ein Freund von fein solierenden Gitarren sein, aber wer sie hört, der wird es mit Sicherheit. Songs wie Daddy Can Dance jedenfalls haben eindeutig das Zeug zum Tanzflächenfüller. Oder Hello Policeman, zu dem man wild zappelnd seinen Kopf schütteln muss.

Eine quälend lange Umbaupause später betreten dann Gluecifer die Bühne. Ohne viele Worte zu verlieren eröffneten sie mit Car Full Of Stash vom aktuellen Album Automatic Thrill. Eine kleine Verschnaufpause gab es erst nach drei Songs mit der Begrüßung durch Frontmann Biff. Kurz ging er darauf ein, dass sie das letzte Mal 1998 mit den Hellacopters hier in der Markthalle aufgetreten sind. Zu schade, damals nicht dort gewesen zu sein. Dann wurde weiter gerockt ohne Ende, neben einigen selten gespielten Songs aus Anfangstagen wie Titanium Sunset und No Goddam Phones, hauptsächlich Material der letzten beiden Alben. Großartig auch immer wieder die netten kleinen Anekdoten von Biff, natürlich mit dem nötigen Augenzwinkern vorgetragen. Dieser Mann ist einfach für die Bühne bestimmt. Bei alledem gab es nur ein Problem - der Graben zwischen Bühne und Absperrgittern war viel zu groß. Wo normalerweise Hände abgeklatscht werden und sich gegenseitig Fans und Band aufputschen, herrschte leider ein Vakuum. Die aggressiven Ordner taten ihr übriges, um die Stimmung des Publikums etwas zu drücken. Am Ende hatte man zwar das Gefühl ein tolles Konzert erlebt zu haben, aber auch im Hinterkopf, dass Gluecifer noch zu wesentlich größerem im Stande sind.

Den Beweis dafür sollten sie auch direkt einen Tag später in Berlin erbringen. Das Kreuzberger SO36 wurde Schauplatz eines einmaligen Auftritts. Bonk enterten gerade die Bühne, als wir um halb neun den fantastischen Club betraten. Insgesamt war die Stimmung im Publikum schon wesentlich ausgelassener als am Vortag. Die Band wirkte viel selbstbewusster, ihre Songs dynamischer und beseelter. Außerdem handelt es sich bei ihrem Schlagzeuger um den Bruder von Stu Manx, wie der Bassist von Gluecifer uns selbst erzählte. Aber auch ohne familiäre Unterstützung war die Steigerung gegenüber Hamburg beachtlich. Danach jedoch die große Enttäuschung, denn Captain Murphy hatten bereits vor Bonk spielen müssen. Der Veranstalter sollte sich mal fragen, warum er 21Uhr als Beginn auf die Tickets drucken ließ, aber die erste Band schon um 19.45Uhr auf die Bühne schickte. Allerdings hatte es auch sein Gutes, denn Victor von Captain Murphy hatte Mitleid mit uns. Er war total fertig, dass wir seinen Auftritt verpasst hatten. Er schenkte uns später T-Shirts und setzte uns auf die Gästeliste für ihr Konzert in Bochum. „I promise it!“ - danke, Victor!

All die Ernüchterung wich jedoch blanker Hysterie, als Gluecifer, die selbsternannten Kings of Rock, sich anschickten, alle Fragen nach der Berechtigung ihres Titels zu beantworten. Zwar spielten sie die gleiche Setlist wie tags zuvor, aber trotz dessen kein Vergleich. Mein Freund Neil und ich standen direkt vor der Bühne, kein Graben zwischen uns und dem unvergleichlichen Raldo Useless, seines Zeichens Gitarrist. Perfekt. Die Anspannung, die der Band in Hamburg teilweise noch anzumerken war - wie weggeblasen. Vom ersten Takt an wurde man von der schieren Wucht der Songs förmlich umgehauen. Das SO36 glich einem Tollhaus. Jeder Song ein Hit. Von älteren Stücken wie I Got A War, Go Away Man, einer wahnwitzig rasanten Version von Evil Matcher oder Rockthrone bis hin zu neuerem Material wie Shaking So Bad und Automatic Thrill. Alle Anwesenden sangen lauthals mit, alle tanzten. Die Band, davon sichtlich beflügelt, legte eine Spielfreude an den Tag, unglaublich. Captain Poon, immer in Bewegung, und Raldo, mit diesem ungeheuren Swing in seiner rechten Hand, lieferten sich Gitarrenduelle sondergleichen. Biff Malibu sang nach Leibeskräften, was in seinem Fall ruhig wörtlich zu nehmen ist. Stu Manx am Bass war wie immer der Fels in der Brandung und Danny Young an den Drums solierte sogar beim Mittelteil von Black Book Lodge. Sowieso scheint dieser Song so etwas wie ihr heimlicher Favorit zu sein. Man muss es einfach gesehen haben, wie sich der Captain und Raldo dabei gegenseitig anstachelten und einander antrieben. Ihr Set beendeten Gluecifer schließlich mit dem fabelhaften Easy Living, bei der Biff, sehr zum Schmunzeln der anderen, eine Chansonartige Version des Songs anstimmte. Einfach grandios. Damit entließen sie dann die ekstatische Menge in die noch junge Nacht.
Verbeugt euch vor den Kings of Rock!
text: Tobias Lehnert
foto: inge von schreude