Franz Ferdinand [Franz Ferdinand]

Es geht etwas um in Europa und es ist nicht klar, ob es nur ein Gespenst ist.
Vier Schotten, eine Hipster-Debatte, Rockmusik, tanzende Mädchen, Kunststudenten, Prügelein, Ferien und Schampus.



"if this fire is out of control, then i'm out of control and i burn."
(this fire)


Es ist ein leichtes sich in den allgemeinen Tenor der Pressestimmen einzureihen, was diese neue Band aus Glasgow anbelangt: der Rolling Stone gibt gleichwohl wie Spex und Intro das Titelbild her, um die vier Schotten abzulichten und selbst fraglich renommierte Kulturexperten wie die TV Spielfilm oder sogar der Spiegel wissen was zur Zeit angesagt ist. Und so könnte auch dieser Artikel hier mit der Zeile "Ich heiße superfantastisch, ich trinke Schampus mit Lachsfisch" beginnen, dieser einen Zeile aus der ersten Single Darts of Pleasure, die ein jeder mitsingen können sollte, und dann in ein paar der bewusst gestreuten Mythen und Geschichten über die Band übergehen, die beschwören, dass Franz Ferdinand einst dieses alte Lagerhaus zu einem Insiderclub, dem Chateau, umfunktionierten, und die Polizei über lange Zeit nicht dahinter kam, wo dieser sich befindet. Oder die Geschichte, dass Sänger Alex Kapranos und Gitarrist Nick McCarthy sich bei einer Beinaheprügelei kennen lernten, deren Ausgangspunkt der Streit um eine Wodkaflasche war. Man könnte auch diesen schon legendären Satz von Bassist Bob Hardy zitieren, den dieser missverstanden äußerte, als man ihm das erste Mal den Bass in die Hand drückte: "Ich bin Künstler, kein Musiker". Man braucht sich eigentlich auch nur über den vor Zurückhaltung und Bescheidenheit nicht gerade strotzenden Namen dieser Band-Diva aus Schottland unterhalten, schließlich wird die Ermordung Franz Ferdinands historisch als Auslöser des ersten Weltkrieges gewertet. Man könnte auch versuchen einen trügerischen Geist heraufzubeschwören, und Franz Ferdinand mit ihrem enthusiastischen Wave-Pop-Rock-In-Konzert für einen obligatorischen NME Hype halten, der sich in der nächsten Zeit, aufgrund der kollektiven Erwartungshaltung dieser jungen Band gegenüber, die diese nun einmal nicht halten können, sicherlich selbst zerstören wird.

Dennoch: Glasgow ist nicht New York, Franz Ferdinand nicht die Strokes. Und wenn schon unvermeidlich der Name Strokes fällt: ein weiteres Stichwort welches man platzieren könnte, schließlich wird jede Jungsband in letzter Zeit, die irgendwie nach sechziger, siebziger Rockmöblierung klingt, mit diesen fünf Herren verglichen und bemessen. Aber wie sieht denn die Realität aus? Immer wieder werden Bands dazu heraufbeschworen die Retter von irgendetwas zu sein, was doch eigentlich gar nicht gerettet werden muss. Während die Strokes rotzig mit Velvet Underground sympathisieren, die Australier Jet mehr zwischen AC/DC und einer abgespeckten Version der Who balancieren, sind Franz Ferdinand trotz schrammeliger Gitarre verdammt tanzbar und haben ihre Wurzeln unanzweifelbar im achtziger sixties Revival, namentlich Orange Juice, Joesph K. oder Echo & the Bunnymen. Ein zu gern zitierter Ausspruch ihrer selbst besagt ja auch "wir machen Musik, zu der Mädchen tanzen sollen". Nett. Schließlich wissen nicht nur die Strokes - "and girlfriends, they don’t understand" - dass zu Rock nur wenig Mädchen tanzen. Die Book-Ends der Platte, Jaqueline und 40", beweisen dies zutiefst. Ersterer ist ohnehin dieser eine Song, der zunächst mit Banalitäten wie Jaqueline und Seventeen beginnt, und dann mit dem einsetzenden Bass und Schlagzeug und den beiden loshechtenden Gitarren "it’s always better on holiday" beschwört. Aber es sind nicht nur diese beiden Stücke, die Belle and Sebastian mit den Strokes auf dem Tanzboden eines Clubs vereint; die ausstehende dritte Single Matinee, dessen Gitarren nach jüdischem Folkslied klingen, oder auch das bereits erwähnte Darts of Pleasure folgen ad hoc.

Trotzdem ist da eine Sache, die Franz Ferdinand mehr beherrschen als alle the-Bands zusammen: sie haben ein wunderbares Gespür für gute Popmelodien die sich, trotz Chartsstürmung, nicht in Belanglosigkeit verlieren, die wunderbar verschrobenen Gitarren nicht außen vor lassen, und einen liebevollen Hauch von Ironie versprühen: Während die Hipster Englands zu gern ein paar deutsche Floskeln in ihrer urbanen Umgangssprache unterbringen, waten Franz Ferdinand mit der oben genannten, völlig sinnentleerten Schampus-Lachsfisch-Zeile auf, und führen das elitäre Gehabe ad absurdum, denn dass diese Zeile wenig Sinn macht, dürfte besonders Nick McCarthy wissen, der schließlich in München aufgewachsen ist, und dem wir es verdanken können, dass man in unseren Gefilden den Bandnamen endlich einmal phonetisch korrekt ausspricht. And now: auf Achse.
foto:


franz ferdinand
"franz ferdinand"
domino 2004 cd / lp / 2cd lim.
franz ferdinand

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