The Books [The Lemon Of Pink]

Herzlich Willkommen im Indiemusiktheater, Vorhang auf und Bühne frei - Showtime für Absentee! Die Londoner beglücken mit ihrem farbenprächtigen Debüt "Schmotime" und liefern pünktlich zu Sommeranfang erste Lieder für einen vorzüglichen Sonnensoundtrack.



"should i laugh or should i cry? i laugh."
(there's a body in a car somewhere)


Natürlich hat hier wieder einmal niemand das Rad neu erfunden, aber das hat auch niemand vor gehabt. Unwörter wie Laptop-, oder Elektrofolk riefen schon vor einigen Jahren Redakteure namhafter Musikmagazine im Zusammenhang von Bands wie März von den Dächern, so wie der Muezzin in dem Song That’s Right Ain’t Shit "Independent! Independent!" ruft. Die Books sind zwei unscheinbare, schmächtige Männer, der eine - Paul de Jong - ein häufig über den Atlantik pendelnder Computerarangeur im stile Martin Gretschmanns, der andere - Nick Zammuto - ein Kunstlehrer und Multiinstrumentalist. Dieses Zusammenspiel von provinzieller und urbaner Lebensphilosophie hat vielleicht auch etwas damit zu tun, weshalb hier kein wilder Stilmix aus Elektro, Folk, Country, Avantgard und Lo-Fi, sondern eine so organische Harmonie entstanden ist, dass man gar nicht umher kann, die books nicht zu lieben. Oder wie die Spex sagte: "Alle lieben die Books". Auch wenn das bis jetzt noch gar nicht alle wissen.

"The Lemon Of Pink" ist die zweite Veröffentlichung der Books, und eine so wunderbar unkonventionelle Platte, der man auch die Verwirrung verzeihen möchte, dass gleich zwei Stücke als Titelsong fungieren. Aufgenommen haben de Jong und Zammuto das Album in einem selbstgebauten Studio in Massachusetts mit Blick auf ein idyllisches Dorf, und in direkter Küchennähe. Unterstützt wurden die beiden von Anne Doerner, einer befreundeten Musikerin und Mathematiklehrerin. Sie ist für den viel verwendeten Einsatz des Banjos und der Geigen, sowie dem wunderbaren Gesang verantwortlich. Eine Vielzahl von akustischen Instrumenten verwendend - Gitarre, Cello, Banjo, Violine - verfällt die Platte in eine grazile Stimmung, die mich an das Penguin Café Orchestra erinnert, was vielleicht auch daher rührt, dass die Books, ganz unähnlich vergleichbarer Bands wie oben erwähnte Frankfurter März, bei ihren Songs sehr minimalistisch mit den Beats umgehen. Wenn diese nicht gänzlich fehlen, werden sie das eine Mal von Stepp Schuhen oder Händeklatschen, das andere Mal auch durch sich rhythmisch wiederholende Schritte auf einem Kiesweg vertreten. Das Penguin Café arbeitete Anfang der achziger Jahre mit Gummibändern oder Telefontasten um die orchestralen Akustiksongs zu unterlegen. Die Lautmalerei, die wundersam beschwingte Ruhe die den dreizehn Stücken innewohnt, wird durch ein prägnantes Stilmittel durchzogen: die ausgefeilte Verwendung der menschlichen Sprache. Die Books selbst sagen in einem Interview, dass sie die Stimme als den am stärksten aufgeladenen Klang des Menschen betrachten. Vom Schall her so komplex wie musikalischer Klang, aber mit der Fähigkeit Bedeutung durch Worte zu transportieren.

Mit diesem Gedanken der sprachlichen Wertschätzung im Kopf, ist es nur folgerichtig, dass die Auswahl der verwendeten Sprachauszügen eine ganz besondere ist: Da spricht die Flugbegleiterin ihren ganz unprätentiösen Text so, als würde er schon immer im Rhythmus des Stückes Tokyo gesprochen, dann erklingt ganz unverkennbar die Stimme Albert Einsteins, welcher bei einem Radio Interview 1950 über die gewaltfreien Leitmotive Gandhis referierte, mal wird das Ende eines Stückes mit den letzten Zeilen des Vater Unser verbunden, und in dem Lied Take Time erklingt ein Zitat vom 6. Februar 1952: "For the first time in the history of the world, a young girl climbed into a tree one day - she climbed down from the tree next day - God bless her." Gut, das ist eine etwas verkürzte Fassung der Krönungslegende von Queen Elisabeth, aber vielleicht steht dieses Bild metaphorisch für das was die Books ausmacht: wir hören Dinge, die wir schon immer gehört haben, die so einfach zu sein scheinen, und dann sind sie auf ihre Weise doch etwas ganz besonderes.
foto:



the books
"the lemon of pink"
tomlab 2004 cd / lp
the books

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