The Samuel Jackson Five [Easily Misunderstood]

Talking all that Jazz.
Nicht zwischen Samuel L. Jackson und den Jackson Five, wie uns der Name vielleicht glauben machen möchte, ist die Musik der fünf Norweger verankert, sondern doch eher zwischen Do Make Say Think und Tortoise.


"it sounds better than 'the plastic fantastic cyberchickens from outer space', i guess."
(stian tungerod über den bandnamen)


Das "Amateur" ist ein alter Pub in Oslo, der gemeinsam mit dem olympischen Dorf für die Winterspiele von 1952 errichtet wurde und heute wenig Bedeutung hat. Das Amateur hatte jedoch nach den, besonders für das eigene Land sehr erfolgreichen Spielen, noch einen weiteren, kulturellen Höhepunkt; Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger Jahre wurde es als Aufnahmestudio genutzt, in welchem der norwegische Saxophonist Jan Garbarek seine ersten Alben einspielte und damit nicht nur bis heute die skandinavische Jazz-Szene beeinflusste, sondern auch maßgeblich an deren Begründung beteiligt war. Ein legendärer Ort also, den sich die Samuel Jackson Five auswählten, um ihr zweites Album einzuspielen. Und die Jazz Einflüsse sind nicht zu überhören, auch wenn sich das Quintett eigentlich an ganz anderen musikalischen Orten bewegt.

Als ich das erste Mal über den Namen dieser Band stolperte, wurde ich bereits Aufmerksam und hatte ein gewisses Interesse. Obwohl solche Bandnamenkonstellationen in letzter Zeit ja relativ präsent sind. Man widmet den eignen Namen einer Persönlichkeit, mit der die Musik als Solche meist nichts gemein hat. The Brian Jonestown Massacre. The Stephen Malkmus Experience. Samuel L. Jackson – wie gut, dass man von dem Übernehmen des zungenbrecherischen L Initials im Bandnamen absehen konnte – ist an sich ja eher der prollige ActionJackson Typ, doch seit Pulp Fiction wohl über jede Kritik erhaben und somit eine ausgezeichnete Wahl. Dass The Samuel Jackson Five aus Norwegen stammen erhöhte mein Interesse ungemein, die Gründe dafür dürften musikethnologisch auf der Hand liegen.

Ein Titel wie Person Most Likely To Enjoy The Taste Of Human Flesh stellt das Quintett ganz klar in eine Tradition mit jenen Instrumentalbands, die ihren Drang nach Verbalisierung in den Songtiteln auszuleben scheinen. Zwischen politischem Statement (vgl. Godspeed You! Black Emperor) und semiotischen Nonsens (vgl. Mogwai) steht für die Band in dieser Hinsicht der interessierte Umgang mit Begriffen im Mittelpunkt. "Thomas (Kaldol, Gitarist der Band, Anm. d. Verf.) spielt gern mit Worten und deren Bedeutungen oder überträgt Film- und Fernsehzitate in unseren Kosmos", erklärt Schlagzeuger Stian Tungerud im Gespräch. "Die meisten unserer Titel haben also in gewisser Weise eine tiefere Bedeutung oder wenigstens eine gute Geschichte dahinter." Ein ausnahmslos instrumentales Album mit dem Titel "Easily Misunderstood" zu versehen ist vielleicht eine dieser ironisch zwinkernden Spielereien.

Musikalisch grenzt man sich von den meisten Postrock Bands insofern ab, als dass die fünf Herren aus Oslo und Umgebung geschickt einen klaren Jazz Einfluss in ihre klanggewaltige Musik integrieren. Nicht ganz so exaltiert wie die ebenfalls aus der Umgebung von Oslo stammenden Jaga Jazzist und weniger vordergründig wie die Briten vom Cinematic Orchestra, aber doch als prägnantes Stilelement. Jazz im Sinne von Improvisation einzelner Instrumente. Im Sinne von Polyrhythmik und Call and Response Elementen. Im Sinne von kreativer Freiheit. Im Sinne einer Öffnung des Postrock, weg vom Laut-Leise Spiel zwischen introvertierter Detailliebe und extrovertierter Explosion, hin zu einer Variationsoffenheit mit unverschämtem Groove. Der Freejazz Exzess in erwähntem Stück, der sich irgendwo zwischen gemäßigtem Art Ensemble Of Chicago und Herbie Hancock bewegt, könnte viele Hörer zunächst abschrecken, aber man möchte sich mit der eigenen Musik klar nonkonformistisch geben.

Auch wenn Bläser, Streicher, Glockenspiel und vor allem das Klavier allesamt niemals als bloßes Beiwerk oder freie Füllung Verwendung finden, sondern bewusst gleichberechtigt zu dem üblichen Instrumentarium verstanden werden, atmet die Platte mit jedem Takt Rock und weist ihn dennoch im gleichen Moment wieder von sich. Ob plötzlich hervorbrechend treibende Grooves (Unimog), das impulsive Klavier als Rhythmusinstrument (Easily Missunderstood) oder das hervorragende Arrangement der Streicher, dass sich immer wieder mit verzerrten Gitarren abwechselt (Michael Collins Autograph); die daraus entstehende Demontage bleibt ohne Frage bis ins Detail hörenswert und kann das Niveau nur an sehr wenigen Stellen nicht zur vollen Zufriedenheit halten.

Das an den englischen Künstler Andy Goldsworthy denken lassende Cover Artwork und die im Booklet befindlichen Grafiken von einer seltsam anmutenden und auch um 180 Grad gedreht funktionierenden Landschaft, erfassen die Musik der Band vielleicht auf eine stimmig-entrückte Weise. Zwischen Verwirrspiel und organisch harmonischem Ganzen bewegt man sich, was mir niedergeschrieben wenig erklärend scheint. Easily Misunderstood. Worte eben.
foto: knut neerland



the samuel jackson five
"easily misunderstood"
honest abe 2005 cd
the samuel jackson five