Records&Me

Im Sommer 2004 hatte die dänische Band Cartridge eine Autopanne, die sie auf der Reise in den Süden bereits in Hamburg aufhalten sollte. Solche Ereignisse sind oft wenig rühmlich, noch weniger erfreulich und schon gar nicht erinnerungswürdig. Schließlich geschieht dies doch jedem irgendwann einmal.


"champagne to all our elder female guests."
(like a stuntman, hairy diamond breats)


Mit dieser besonderen Autopanne in jenem Sommer hängt jedoch unweigerlich die Gründung des jungen Hamburger Labels Records&Me zusammen. Hannes Langner – Label Chef, wenn man so will – traf so auf besagte Band, verliebte sich in deren Musik und entschloss sich damals gemeinsam mit einem Freund dazu, den Kampf gegen die Windmühlen der Musikindustrie aufnehmen zu wollen.

Heute, gut zwei Jahre später, kann das Label bereits auf einige bemerkenswerte Platten zurückblicken. Aktuell sind da zum Beispiel das Debüt Album besagter Band Cartridge – "Enfant Terrible" -, dass durch Abwechslung, ausgereiftes Songwriting und vor allem dem charismatischen Gesang von Mathias Wullum Nielsen überzeugen kann. Die Marburger Band Tent hingegen, von der Presse mit Vorschusslorbeeren für ihre Debüt EP "Do Something" bedacht, verliert sich leider eher im allgegenwärtigen Schrei nach schlichtem Uptempo Indierock. Der Schritt zu Figurines, Maximo Park, The Killers etc. ist nicht weit, was dem Label zwar einige verdiente Aufmerksamkeit bescheren dürfte, jedoch ist die Veröffentlichung an sich eher belanglos; Der Griff zu den „Originalen“ – wenn man so will – liegt näher. Dennoch muss man gestehen, dass ein so dichtes Debüt selten sein dürfte.

Was das Frankfurter Quartett Like A Stuntman wiederum anbelangt, so darf man deren aktuelle EP "Stan Places" getrost jedem ans Herz legen! Die Sozialisation in den von Pavement dominierten Neunzigern des letzten Jahrtausends hört man hier und da durch, aber trotzdem bleibt die Band eigenständig genug, um sich klar abzusetzen. Wunderbar vereint man in den Songs den lakonischen Gesang von Sven Fritz mit akustischer und elektronischer Spielweise, schwebt anmutig zwischen LoFi Pop und sich dekonstruierenden Soundspielereien die an Tunng oder die Books erinnern, denen aber dennoch ein klar strukturiertes Songwriting obliegt. Dabei bleiben sie intelligent genug über jede Referenzhölle erhaben zu sein und sich so wenig um gängige Klischees zu bemühen, wie man es sich nur wünschen kann. Und obwohl sich Like A Stuntman kaum über die 3 Minuten Grenze hinwegbewegen, verzichten sie nicht auf einen langsamen, verschachtelten und detailverliebten Aufbau eines jeden ihrer Stücke. Awesome!

Was dennoch bei allen drei angesprochenen Bands deutlich wird, ist, dass in jedem Fall mit Liebe zur Musik gearbeitet wird. Hingabe. Intimität. All das. Records & Me eben. So klingt der Labelname selbst nach eben jener sehr persönlichen Beziehung zwischen dem Musiknerd und seiner Plattensammlung. Der gleiche Eindruck wird auch vermittelt, wenn man sich auf die Homepage des Labels begibt und dort von dezenten, aber aussagekräftigen Fotos empfangen wird.

Woher stammt der Name, bzw. was bedeutet er für dich, Hannes?
"Im Grunde hast du die Antwort ja schon gegeben. Es geht nicht nur um die Musik, sondern auch um den Tonträger als solchen. Zwar mag das in diesen Zeiten etwas merkwürdig, vielleicht sogar naiv wirken, aber für mich spielen Tonträger nach wie vor eine große Rolle. Natürlich geht es immer in erster Linie um die Musik, ganz klar. Der Tonträger hat aber seit der Einführung der CD, insbesondere aber natürlich in den letzten Jahren, deutlich an Bedeutung verloren. Ein schönes Artwork sagt eine Menge über eine Band aus und kann daher auch dazu beitragen die Musik vielleicht besser zu verstehen. Leider legen da in den letzten Jahren viel weniger Künstler wert drauf, deshalb verliert die CD weiter an Bedeutung. Dazu trägt natürlich auch das Format CD bei. Da ist ganz einfach weniger Platz als beispielsweise noch auf einem Schallplatten-Cover. Dennoch hat man auch bei der CD die Möglichkeit den Tonträger liebevoller zu gestalten als die meisten Künstler es tun. Das soll gar keine Kritik sein, wenn ein Künstler oder eine Band da keinen Wert drauf legt, dann ist das eben so. Ich finde es aber schade. Meine CD Veröffentlichungen sind bisher allesamt recht aufwendig gestaltete Digipacs. Und Meine Bands finden das großartig, geben sich mit dem Artwork immer viel Mühe und nutzen auch dieses Medium um ihren Stil zu präsentieren."

Als ich mich letztens mit Ilias von SeaYou Records unterhielt, erklärte mir dieser, dass er eigentlich gar kein Label betreiben wollte. Betrachtet man deine Geschichte, sieht das ja auch alles andere als nach von langer Hand geplant aus. Wie kommt es, dass dann am Ende doch ein Label dabei heraus kommt?
"Auch bei mir war das Zufall. Zu dem Zeitpunk, als ich Cartridge kennenlernte war ich zwar bereits Praktikant bei einer großen Plattenfirma, aber auch das nur, weil mir dieser Platz von einem Freund vermittelt wurde und ich nicht wusste was ich sonst machen sollte. Als ich Cartridge dann traf wusste ich sofort, dass ich diese junge Band unterstützen wollte. Da lag es einfach auf der Hand mit einem Freund die Ersparnisse zusammenzukratzen und eine Platte zu veröffentlichen. Allerdings sollte es ursprünglich bei dieser Platte, oder zumindest dieser Band bleiben. Irgendwie lief es dann immer weiter, das Feedback war von allen Seiten so positiv, dass wir ziemlich schnell vor der Frage standen, ob wir das Label nicht ein wenig „ernsthafter“ betreiben wollten. Lennart, mit dem ich bei den ersten beiden Veröffentlichungen zusammen gearbeitet hatte, wollte sich vernünftigerweise lieber seinem Studium widmen und so habe ich dann, vielleicht auch mangels Alternativen, gesagt: gut, dann versuch ich das jetzt einfach mal allein. Mit PIAS als Vertrieb hatte ich dann natürlich auch die Möglichkeiten dazu. Heute ist Records&Me ein Vollzeit-Job, auch wenn ich noch nicht davon leben kann."

Dein initiales Zusammentreffen mit Cartridge ist eine dieser Geschichten, die einem Label einen äußerst angenehmen Charme verleihen können. Wie kamen die Kollaborationen mit Tent und Like A Stuntman zustande?
"Christian von Like A Stuntman arbeitet zusammen mit einigen meiner Freunde bei Station 17, einer Band mit behinderten Menschen. So hab ich sie kennengelernt. Als ich Like A Stuntman dann das erste Mal live sah war sofort klar, dass ich diese Band bei Records&Me haben wollte. Zum Einen passte es menschlich sofort, zum Anderen haut einen diese Band live einfach um! Bei Station 17 arbeiten übrigens auch zwei Bandmitglieder von The Sea, die im Frühjahr ihre erste Single bei mir veröffentlichen werden. Tent hat mir ein Freund empfohlen. Auch da bin ich auf’s Konzert gegangen, hab mir die Band angehört; Es wurde Bier getrunken, am nächsten Tag Kaffee... Auch da war schnell klar, dass wir sehr ähnliche Vorstellungen haben und vor allem, dass wir uns verstehen. So spektakuläre Geschichten wie bei Cartridge kann ich da leider nicht bieten."

Das Wort "Indie" erscheint heute ja mehr und mehr zu einem leeren Begriff zu werden. Dennoch hat es im Grunde sehr viel mit Idealismus und DIY Attitüde zu tun. Werte, die man im "Musikgeschäft" allemal mit stolz hochhalten darf. Wie gehst du heute mit dem Begriff Indie um und was bedeutet er für dich und dein Label?
"Natürlich ist 'Indie' mittlerweile in erster Linie eine Schublade. Für mich bedeutet es aber, im Bezug auf Records&Me, dass wir machen können worauf wir Lust haben. Es gibt jede Menge Regeln die man bei einer Veröffentlichung beachten sollte. Der Begriff „Indie“ erlaubt mir aber auch mich über vieles hinwegzusetzen und eben unabhängig von diesen Regeln mein Ding durchzuziehen. Ich bin alles andere als Experte in der Musikbranche und habe auch kaum Erfahrungen. Bei Recrods&Me wird einfach gemacht was alle für sinnvoll halten. Bisher klappt das ganz gut."

Wie ist das Verhältnis von Label und individueller Band? Und wie ist vielleicht auch das Verhältnis von dir persönlich zu den Bands, falls das nicht zu indiskret ist?
"Da wir ja erst seit kurzem wieder zu zweit bei Records&Me sind, ist mein persönliches Verhältnis eigentlich gleichzusetzen mit dem von Records&Me zu den Bands. Ganz einfach auch, weil mir ein persönlich gutes Verhältnis zu den Bands wichtig ist. Mit Cartridge verbindet ich in erster Linie Freundschaft und erst dann eine Art „Geschäftsbeziehung“. Wobei Geschäftsbeziehung hier ohnehin kein gutes Wort ist. Ich würde eher Partnerschaft sagen, da keiner Entscheidungen ohne Einwilligung des anderen trifft. Genau so ist es auch bei Like A Stuntman und Tent. In erster Linie sind wir Freunde. Das ist mir auch sehr wichtig, denn sonst würde mir dieser Job keinen Spaß machen. Zwar bringt das natürlich gelegentlich auch Probleme mit sich, letztendlich haben wir aber alle die gleichen Vorstellungen von dem was wir gemeinsam erreichen wollen und können. Konflikte über beispielsweise Vorgehensweisen lassen sich da schnell klären. Vertrauen und gegenseitiger Respekt sind dafür aber sehr wichtig."
foto: lisa notzke



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