Haute Areal

Théâtre du Nuit.
Das Berliner Label Haute Areal betrachtet die heterogene Auswahl ihrer Musiker als Konzept, welches jetzt mit einer eigens gestalteten Kompilation in Gänze präsentiert wird.


"´don't fuck with the man!"
(haute areal über the man no. 9)


Auf der höchsten Ebene, erhaben sozusagen, bewegt sich das Berliner Label Haute Areal. Zumindest dann, wenn man den französischen Namen betrachtet. Diese Plateau mag man auch im übertragenen Sinne als eine Plattform betrachten, welche die Berliner mit ihrem Label recht außergewöhnlichen Musikern bieten wollen.

Da sind beispielsweise Werle & Stankowski, ein Duo, welches vom Label selbst als "Bob Dylan trifft Aphex Twin in Kingston" beschrieben wird. Lauscht man den Stücken der beiden Herren, muss man dem seltsamen Statement mit einem Lächeln recht geben, obwohl weder die Stimme an den näselnden Bob Dylan, noch der Sound an den vertrackten Richard James direkt erinnern. Das New Yorker Duo Schwervon! hingegen dürfte in den umtriebigeren Indie und Anti-Folk Kreisen durchaus bekannt sein. Musikalisch in eine ganz andere Richtung geht dann wie selbstverständlich Sedlmeir, der 80er Jahre Synthies und Hardrockriffs vermengt und zum Tanz provoziert: "Schmeißt die Jacke weg, zieht die Nase hoch und haltet den Kindern die Ohren zu". Die reduzierte Besetzung der Bands im Hause Haut Areal wird lediglich durch The Man No. 9 durchbrochen, einer recht anarchischen achtköpfigen Band zwischen dem Go! Team, dem A-Team, Klingeltönen und White Trash Synthies. Schön!

Dieses bunte Konglomerat an unterschiedlichsten Spielweisen haben Haute Areal jetzt auf einer äußerst ästhetischen Label Kompilation vereinigt. Da man Wert auf guten Geschmack legt, tat man sich anlässlich der Veröffentlichung von "Théâtre de Nuit" mit dem Modelabel éveil zusammen, von welchem ein dezent gehaltenes T-Shirt in schwarz-weiß Optik entworfen wurde, um die Platte, die Musik, die Kunst und sich selbst gebührend zu feiern. Für uns Anlass in einem kurzen Gespräch mit Co-Labelchef Frederik Fröse mehr zu erfahren.

Die Musiker auf Haute Areal sind trotz sehr unterschiedlicher Spielweise und Genres doch insofern unter den obligatorischen Hut zu bringen, dass sie in ihren jeweiligen Stilen sehr eigenständig sind und sich nicht von gängigen Klischees lenken lassen. Dennoch werden mit Musikern wie Sedlmeir auf der einen und Schwervon! auf der anderen Seite sehr unterschiedliche Hörergewohnheiten bedient. Ist Heterogenität Teil des Konzeptes Haute Areal?
"So schön hat das bisher noch niemand gesagt. Ja, ich denke das ist so. Wir wollten einfach keine Band unter Vertrag nehmen, die einer unserer Bands ähnlich ist, weil sich sonst automatisch ein Vergleich und eine Abstufung ergeben hätte. Von ihrer Art ist jede unserer Bands die beste. Das ist es, was wir erreichen wollten. Es gibt keine Konkurrenz innerhalb der Familie."

"Marktführer". Recht ironisch, so will ich meinen, prangt da ein Begriff in eurem Pressetext, den ihr sowohl auf euch selbst, als auch auf das Modelabel "éveil" bezieht. Aber im Ernst, wie schwierig ist es sich "am Markt" zu etablieren, wenn man sich auf die Fahnen schreibt, eher weniger zugängliche Musiker unter Vertrag zu nehmen? Und wie hat sich die Situation, die Intensität und der Arbeitsaufwand seit eurer Gründung 2001 verändert?
"Auf jeden Fall schwieriger als wir dachten. Man muss eben lange durchhalten, immer mehr investieren, einen Katalog aufbauen, Kontakte knüpfen und lernen. Wir arbeiten jetzt wesentlich mehr für das Label als früher. Damals war es bloss ein Scherz oder Hobby und jetzt ist es ein Fulltime-Job. Das mit dem "auf die Fahne schreiben..." haben wir sowieso abgelegt. Wir machen einfach was uns gefällt. Wenn uns was begeistert, dann unterstützen und machen wir das."

Gerade im Augenblick, in dem Indie als Schlagwort kontext- und somit auch belanglos zu werden scheint, die Ästhetik von LoFi und unabhängigen Produktionen genreübergreifend von der Industrie wie ein Schwamm aufgesaugt werden, erscheint es zunehmend schwerer zu werden, sich als Label zu behaupten und relevant zu bleiben. Wie seht ihr diese Entwicklung, bzw. geht ihr damit um?
"Das hat es ja immer schon gegeben. Die sind nur heute schneller. Ich glaube es zeigt sich bei näherer Betrachtung immer recht schnell ob ein Stil nur kopiert wird oder wirklich gelebt und mit Inhalt gefüllt wird. Außerdem ist es im Endeffekt auch egal. Man kann sich ja nicht allein auf irgendeine Szenenzugehörigkeit berufen, wenn es um die Qualität von Kunst geht. Entweder das Zeug ist gut oder eben nicht. Es gibt z.B. ganz grauenhafte Indie-Bands und im Gegensatz dazu ein paar Kommerzschweine, die echt spitze sind."

Im Zeitalter des digitalen Downloads, der nach den neuen Berichten der Musikindustrie kaum einen wirkungsvollen Beitrag zu dessen Niedergang geleistet zu haben scheint, wird immer weniger Wert auf Design, auf das künstlerische Element neben der bloßen Musik gelegt. Wie wichtig sind Zeichen wie eure Kompilation in diesen Tagen?
"Enorm wichtig. Der Vorteil von Pop gegenüber ernster Musik ist ja, dass die Inszenierung von der Namensgebung bis zum Artwork und der öffentlichen Haltung fester Bestandteil des Werkes ist. Das ist einer der Gründe warum wir das überhaupt alles machen. Sonst würden wir im stillen Kämmerlein für Player-Piano komponieren. Das ist auch cool."

"Théâtre de Nuit" lässt nicht nur vom Titel an den Film Noir der Vierziger und Fünfziger Jahre denken. Düster sind sowohl das Design des Covers, als auch das dazugehörige Shirt. Aber düster nicht im Sinne von Pessimismus, Entfremdung und Furcht, sondern auf sehr ästhetische, fragile Weise. Wie habt ihr euch konzeptionell auf das Thema, auf den Rahmen eurer Kollaboration geeinigt?
"Das hat komplett Markus Buddenbrock von eveil übernommen, aber er weiß was uns gefällt. Wir sind ja selber auch ziemlich fragil, vor allem der Ingo (Petraschewski, die zweite Hälfte der Chef Etage von Haute Areal, Anm. d. Ver.)."

Welche Art von Verbindung, außer dem Faible für das Französische, besteht ansonsten zwischen Haute Areal und éveil?
"Wir sind Freunde und haben einen ähnlichen Geschmack. Außerdem versucht er in seinem Bereich das Gleiche wie wir und es gibt wenig schöneres als sich gegenseitig zu featuren."
foto:



haute areal
éveil
werle&stankowski
schwervon!
sedlmeir
the man no. 9