Etta Streicher & Toby Hoffmann [Moralverkehr]

Von wegen Moral
Ein Dialog über den Dialog zwischen den Slampoeten Toby Hoffmann und Etta Streicher.


"betroffenheitsprosa kommt hier ja gut an."
(ich lese, also bin ich)


frannie says:
Bist Du gut nach Hause gekommen letzte Nacht?

I cee dead people says:
Nicht wirklich. Ich habe bei Sascha übernachtet, weil keiner von uns mehr imstande war, zu fahren.

frannie says:
Hört, hört! Very promising ;) Der Abend hatte es ja aber auch wirklich in sich.

I cee dead people says:
Allerdings. Ich war echt überrascht. Du weißt ja, dass ich mit diesen Spoken-Word-Geschichten im Grunde nicht allzu viel anfangen kann.

frannie says:
Naja, man darf das halt auch nicht mit Stefans Pseudo-Poetryslams im Café vergleichen; Toby und Etta machen das echt nach allen Regeln der Kunst. Wobei ich ja fand, dass 74 Minuten dann auch wirklich an der oberen Grenze liegen.

I cee dead people says:
Quatsch, ich hätte denen noch viel länger zuhören mögen. Was mich so unglaublich gepackt hat, war die Harmonie, die zwischen ihnen herrscht. Sind die eigentlich zusammen?

frannie says:
Nicht, dass ich wüsste. Aber es stimmt schon; man merkt, dass sie perfekt aufeinander abgestimmt sind. Und trotzdem haben mir die Stücke, die sie einzeln vorgetragen haben, viel besser gefallen. Kannst Du Dich noch an gsprch erinnern?

I cee dead people says:
Ne, hilf mir mal auf die Sprünge.

frannie says:
Als Etta sowohl Vokale, als auch Umlaute eines Monologs weggelassen hat? Ds Gnze ht sch dnn ngfhr s nghrt.

I cee dead people says:
Also, ich weiss nicht – Kunstgriff hin oder her – für mich war das dann halt auch fast wieder zu anstrengend, irgendwie. Einerseits finde ich es ja sehr originell und spitzfindig, wie die Beiden in bestimmten Tracks die Schwierigkeiten der Kommunikation von Kopf zu Kopf und vor allem die Tragweite der Bedeutung der Dinge, die dabei so verloren gehen, spielerisch aufzeigen, andererseits gab’s halt für mich auch mal Stellen, wo ich dann abgeschaltet habe, weil’s einfach nicht mehr ging. Teilweise war es ja auch wirklich unerhört, wie viel Information da auf einen einstürzte; ziemlich rasant, das Ganze.

frannie says:
Klar, aber gerade das macht es ja so charmant. Wie hat es eigentlich Sascha gefallen?

I cee dead people says:
Ich glaube, er hat es nicht ganz verstanden. Als wir bei ihm waren, habe ich ihn gefragt, wie er es fand und er meinte halt bloss: Von wegen Moral. Ach so ;)

frannie says:
Natürlich, war ja klar. Soviel zu seinem Sinn fürs Subtile. Nichts, was wir nicht schon gewusst hätten, also ;)

I cee dead people says:
Du sagst es.

frannie says:
Während die unsägliche problematik des daseins – übrigens auch eine Einzel-Performance von Etta – habe ich dauernd zu ihm rübergeschielt, weil ich wissen wollte, wie er reagiert, denn im Grunde ist das ja Eure momentane Situation, einfach in Worte gefasst.

I cee dead people says:
Ich bin erbärmlich, ich weiss, aber ich kann die Titel irgendwie nicht mehr so zuordnen; sagst Du mir nochmals kurz, worum’s da ging?

frannie says:
Sie meinte doch zuvor noch, die zweite Stimme des Dialogs sei unsichtbar. Weißt Du noch?

I cee dead people says:
Ach, okay, jetzt ist alles klar. Ja, das war toll! Ich meine, wer kommt auf solche Ideen?

frannie says:
Grosses Kino, definitiv. Für mich war das der Höhepunkt des Programms, ich glaube, so ehrlich hat Ettas Stimme während des ganzen Abends nicht mehr geklungen.

I cee dead people says:
Was hältst Du von Toby?

frannie says:
Er besitzt eine markante Stimme, aber eine sehr unaufdringliche Genialität. Das macht ziemlich viel aus, schätze ich; ich könnte nicht vielen Menschen so lange zuhören. Ich meine, er verpasst Dir und dem Rest der Welt sozusagen eine gesellschaftliche Ohrfeige nach der anderen – mehr als Etta, finde ich – aber er tut es so charmant, dass man einfach an seinen Lippen hängen bleibt.

I cee dead people says:
Wie meinst Du das?

frannie says:
In im immer mehr beispielsweise gab es diese hochtrabende Passage über "die enzyklopädische Ordnung des individuellen Universums in einer globalisierten, überbevölkerten High Tech Welt“, wo man sich ja erstmal überlegt hat, wie sehr dieser ganze intellektuelle Wortseiltanz nervt, aber nur 20 Sekunden später relativiert Toby das dann halt wieder gekonnt, indem er es zynischerweise selbst kommentiert.

I cee dead people says:
Tut mir Leid, aber ich muss los.

frannie says:
Ist etwas passiert oder so?

I cee dead people says:
Nein, Sascha ist bloß gerade aufgewacht.
foto: sprechstation



etta streicher & toby hoffmann
"moralverkehr"
Sprechstation Verlag 2006 cd
etta streicher
toby hoffmann

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Sonntag Nachmittag [Dezember 2006]













fotos: manuel kaufmann

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