A Life, A Song, A Cigarette [Fresh Kills Landfill]

Wie wichtig kann ein Akkordeon für den ersten Eindruck einer Platte sein? A Life, A Song, A Cigarette haben sich darüber wohl keine Gedanken gemacht, sondern stattdessen einfach ein gutes Debütalbum aufgenommen und veröffentlicht.



"it was amazing to see, that there was something going on."
(amphetamine song)

Mit den musikalischen Schubladen ist es ja immer so eine Sache. Auf ihrem Myspace-Profil geben A Life, A Song, A Cigarette ihren Musikstil mit Indie/Folk/Country an, der Pressetext erzählt etwas von Indie-Country Romantik und stürmischen Seemannsliedern, irgendwo schnappte ich die Begriffe Americana und Roots Rock auf. Als dann die ersten Klänge aus den Boxen an meine Ohren drangen, fühlte ich mich allerdings im erst einmal unwillkürlich und unangenehm an diverse Irish-Folk-Bands erinnert, die vor einem guten Jahrzehnt so etwas wie Kultstatus in Süddeutschland genossen und als Aushängeschilder alternativer schwäbischer Musikkultur galten. Die erste Schubladenassoziation war in vielerlei Hinsicht negativ. Dabei lag vermutlich alles nur an dem Akkordeon. Insbesondere durch die ersten Takte des Openers A Chord To Start You On A Tune schunkelt es sich, als ob es sagen wolle: „Ich bin ein stilbildendes Instrument und ich bin wichtig!“. Unpassenderweise war meine erste Begegnung mit der Handharmonika der Auftritt eines Akkordeon-Orchesters auf einem Stadtteilfest und später besagte Irish-Folk-Bands.

Sozialisation gepaart mit einem etwas engstirnigen Indie-Habitus kann also schnell zu fatalen Fehleinschätzungen führen. Denn ALASAC haben weder mit Akkordeon-Orchestern noch mit Hans Albers viel gemein. Die Instrumentierung ist vielfältig und der Gestus der Band ist von Seemannsromantik so weit entfernt wie Wien von der Nordsee. Bereits der Bandname A Life, A Song, A Cigarette weist darauf hin, worum es den sechs Österreichern geht. Auf diesem Album sollen keine lyrischen Belanglosigkeiten erzählt und keine musikalischen Beliebigkeiten aufgeführt werden. Es geht ums Ganze. Doch erst einmal zur Oberfläche: Das Album "Fresh Kills Landfill" ist das erste von ALASAC und wurde auf Siluh veröffentlicht, dem momentan neben Fettkakao (und seayou. Anm. d. Tippse) vielleicht einzigen österreichischen Indielabel, das spannende Platten herausbringt. "Fresh Kills Landfill" ist in jedem Fall so eine Platte. Musikalisch bewegen sich die Jungs trotz Akkordeons in tendenziell amerikanischen Gefilden. Die Grundstimmung bewegt sich irgendwo zwischen countryesken Momenten und Indiepopsongs, den einzelnen Stücken liegt durchgängig ein Singer/Songwriter-Gerüst zugrunde. Die Musik ist ebenso verschroben-freundlich, wie es die englische Grammatik der Texte ist. Mal mit druckvollen Gitarren, mal mit schüchtern klimperndem Glockenspiel, nie zu aufdringlich wird über das Album hinweg ein musikalischer Bogen gespannt, dem es allerdings in manchen Momenten an notwendiger Spannung fehlt. Häufiger kann man eine gewisse Liebe zu Bands wie den Decemberists oder Bright Eyes heraushören, deren dynamische Arrangements bisweilen einen nahezu orchestralen Charakter haben. Akkordeon, Lap Steel Guitar und Cello tragen auch bei ALASAC nicht nur zur Dekoration bei, sie übernehmen stattdessen eine tragende Rolle im Soundgewand und geben ihm eine eigenständige Note. Obwohl in den Songs eine Menge Potential steckt, fehlt es den Arrangements aber etwas an Strahlkraft und an Punktgenauigkeit. Dazu lassen sie den letzten Tick Inspiration vermissen, der den Stücken zusätzliche Kraft einflößen würde. Das ist schade, denn den atmophärischen Grundton treffen ALASAC hervorragend. Das liegt vor allem an Sänger Stephan Stanzel, der die Songs nicht nur mit seiner charismatischen Stimme sondern gar mit Herz und Seele erst zum Leben erweckt.

Sometimes your love seems, like a hidden track, hard to find” (Love)

Stanzel singt und erzählt von der Liebe und Enttäuschungen, von Sehnsüchten und vom Scheitern. In all diesen Themen und ihrer Vortragsweise spiegelt sich Teenage Angst wieder, das Leiden an der Welt und ihrer Verfasstheit wird hier auf einer ganz persönlichen Ebene abgehandelt. Plakative Songtitel wie Please Let Me Drink Away My Broken Heart stehen da ebenso für die Totalität in der Rezeption von Glück und Schmerz wie der Bandname. Eben diese Totalität hat aber keine Überbetonung hin zum Klischeehaften zur Folge, viel mehr beweist die Band ein sehr gutes Gefühl für die Entsprechung von Form und Inhalt. Es wirkt eben zutiefst authentisch, wenn Stanzel in A Different Spring mit den eigenen Ansprüchen hadert und singt „I am what I am, but I ain’t what I aim. Why do I even try it again?

Bleibt nur zu hoffen, dass er diese Frage nicht auf die Musik on ALASAC bezieht. Auch wenn der letzte Schliff fehlt und das musikalisch-schöpferische Potential noch nicht voll ausgelotet wurde: "Fresh Kills Landfill" ist ein sehr schönes Album geworden, an dessen Intention und Herzblut nicht zu zweifeln ist. Und man lernt dabei sogar bisher missachtete Instrumente wie das Akkordeon zu schätzen. Auch dafür haben A Life, A Song, A Cigarette meinen Dank. Hoffentlich bleibt ihr erstes Album nicht ihr letztes.
foto: lukas beck




a life, a song, a cigarette
"fresh kills landfill"
siluh 2007 cd
a life, a song, a cigarette