John Dahl [You Kill Me]

John Dahls selbstironisches und lakonisches Gangster-Lustspiel unterzieht das Genre einer gründlichen Runderneuerung: "You Kill Me" bewegt sich nicht zufällig irgendwo zwischen romantischer Liebeskomödie und groteskem Gangster-Thriller. Dass das funktioniert, liegt nicht zuletzt an einem hinreißend agierenden Ben Kingsley, der sich als zynischer und verletzbarer Einzelgänger von einer ganz anderen Seite zeigt.

"ich weiß nicht wie man 'alkoholiker' definiert, aber nach allem, was ich hier so höre,
denke ich, dass ich ein ziemlich guter bin. aber ein noch besserer killer."
(frank falenczyk)


Frank Falenczyk (Ben Kingsley) ist ein knallharter Gangster und Auftragskiller. Zynisch und gelassen betrachtet er das Töten als eine Art des Geldverdienens. Seine Auftraggeber sind gleichzeitig seine Angehörigen, eine polnische Gangster- und Familienbande, die den für Buffalo so wichtigen Handel mit Schneepflügen (!!) kontrolliert. Ihre Geduld stellt Frank mit seinem exzessiven Alkoholkonsum auf eine harte Zerreißprobe, vor allem, als er den wohl wichtigsten Auftragsmord in der Familiengeschichte in einer alkoholvernebelten Nacht verschläft. O’Leary, der Anführer einer rivalisierenden irischen Familie, erhebt Ansprüche auf Onkel Romans Revier – den Schneepflug-Markt in Buffalo. Ihn sollte Frank erledigen und sein Versagen hat verheerende Auswirkungen, denn nicht nur die Finanzen, sondern auch Leib und Leben der Familie schweben ab sofort in größter Gefahr. Nachdem sein Onkel ein Machtwort gesprochen hat, wird Frank kurzerhand nach San Francisco verfrachtet, wo der ebenso verschlagene wie bedrohlich wirkende Immobilienhai Dave (Bill Pullmann) ihm Wohnung, Job und eine 12-Punkte-Therapie bei den Anonymen Alkoholikern verschafft. Als frisch gebackener Leichenkosmetiker in einem Bestattungsunternehmen darf er sich fortan nicht mehr mit dem Töten, sondern nur noch mit Toten beschäftigen. Inmitten einer kuriosen Schar von Freunden, Feinden, Aufpassern, lebensbejahenden Alkoholikern und untröstlichen Angehörigen wird Franks Leben völlig auf den Kopf gestellt. Erst recht, nachdem er der taffen Laurel (herrlich schräg: Téa Leoni) begegnet ist.

Schwarze Komödien akzeptieren, dass das Leben schwierig und manchmal schmerzhaft ist.
(John Dahl)

Nennen wir’s ruhig beim Namen: Regisseur John Dahl ist ein cineastischer Weirdo, aber ein Spinner im positiven Sinne, den man reinen Gewissens als geistigen Bruder der Coen-Brüder bezeichnen darf (ja, vielleicht sogar muss) und der irgendwann sein eigenes Genre mitbegründet hat: „Ich mag Kriminalgeschichten, aber ich finde sie sehr viel besser, wenn man dabei auch lachen kann“, behauptet er von sich selbst. Wie schon in seinen früheren Werken "The Last Seduction" (1994) und "Red Rock West" (1992) kommt auch in "You Kill Me" diese ganz eigene Mischung aus Komödie und Drama zum Tragen. Das von Dahl entwickelte Genre kombiniert dabei geschickt die Screwball-Qualitäten einer romantischen Komödie mit den Elementen der finsteren Gangsterwelt. Die klassische Hollywood-Komödie wird also bereichert um einen kräftigen Zug zynischer Doppelbödigkeit, einhergehend mit skurriler Tragik. So entsteht der Humor in "You Kill Me" in erster Linie durch die absurde Selbstverständlichkeit, mit der Frank seine Existenz als Killer definiert und mit der er ernsthaft zu vermitteln versucht, dass dies mitunter der normalste Job auf Erden sei - vergleichbar mit dem Handwerk einer gewöhnlichen Bäckereifachverkäuferin. Natürlich ist das kompletter Blödsinn, aber eben nicht in Franks Welt. Überhaupt sollte sich die Besetzung der Hauptrolle „Frank“ durch Ben Kingsley für Dahl als absoluter Glücksgriff erweisen. Wie kein Zweiter beherrscht der charismatische Kahlkopf das Spiel ohne Worte: Allein durch Gestik und Mimik generiert er bei seinem ersten Aufeinandertreffen mit den Anonymen Alkoholikern eine derartige Situationskomik, dass der Zuseher im ersten Moment nicht weiß, ob er lieber - obgleich der aufkommenden Absurdität - schreien, oder sich lauthals lachend auf dem Boden wälzen soll.

Der 1943 als Krishna Bhanji geborene Ben Kingsley wollte zunächst, wie sein Vater, Arzt werden. Nach dem Besuch der Royal Shakespeare Company ändert er jedoch seine Ziele. 1966 feierte er in London sein Theaterdebüt und wurde 1967 Mitglied der Company, für die er unter anderem in die Rolle des Hamlet schlüpfte. Nebenbei trat er in kleineren Rollen im Fernsehen auf. Sein internationaler Durchbruch gelang ihm allerdings erst in seiner Oscar-prämierten Rolle als Gandhi in Richard Attenboroughs gleichnamigen Film von 1982. Bis heute stellt Kingsley seine enorme Wandlungsfähigkeit unter Beweis und seine Begabung, sich nicht auf eine darstellerische Richtung festlegen zu lassen. So schlüpft er immer wieder in die Rolle historischer Persönlichkeiten mit großer Bandbreite, etwa in "Schindlers Liste" (1993), "Moses" (1995) oder in "Haus Und Sand Und Nebel" (2003). Aber auch die Grenzen zwischen Gut und Böse überschreitet Kingsley immer wieder gerne, wenn er heldenhafte Rollen wie die des Watson in "Genie Und Schnauze" (1988) oder den bösartigen Charakter des Don Logan in "Sexy Beast"(2000) übernimmt.

"You Kill Me" ist zweifelsohne mehr als eine schwarze Killerkomödie. An und für sich könnte der Streifen sogar als echter Coen-Film durchgehen, mit dem kleinen Unterschied, dass er eben nicht von den Coen-Brüdern inszeniert worden ist. Trotzdem reiht er sich mühelos zwischen "The Big Lebowski", "Fargo" und "Burn After Reading" ein. Und dass dürfte wohl so mit das größte und schönste Kompliment sein, welches man John Dahl und diesem kleinen Independent-Meisterwerk machen kann.
foto:


john dahl
"you kill me"
2007
kochmedia