EF [I Am Responsible] / Gregor Samsa [Rest]

Zwei Bands die sich im weitesten Sinne in der Unbestimmtheit dessen Bewegen, was im Katalogisierungswahn des Musikjournalismus als Postrock markiert wurde, veröffentlichen dieser Tage ihr jeweils zweites, und in beiden Fällen von den Interessierten herbeigesehntes Album.


"hope to forget things that were sad."
(gregor samsa, du meine leise)


Zum einen sind das die fünf jungen Herren der Göteborger Band EF, welche 2006 ihr Debüt veröffentlichten. „I Am Responsible", das Nachfolgewerk bedient ähnliche Erwartungen wie der Vorgänger; Mit Geigenbögen gespielte E-Gitarren, Glockenspiel, Bläser, Streicher und oft treibende Schlagzeugrhythmen bilden den Kern von EF. Schnell wird klar, dass das Gefühl im Vordergrund steht, die jugendliche Gier nach Schönheit, nach Bombast, ganz ungeniert prätentiös und pathetisch. Embrace this Feeling. Dem Hedonismus eines Dorian Gray entsprungen, schien der hochmütige Titel des Debüts: „Give Me Beauty... Or Give Me Death", dem sich die verlautbarte Verantwortlichkeit des Zweitlings gegenüber positionieren soll.

The manifesto is, there is no manifesto", erklingt die Stimme von Sänger Tomas Torsson aus einem Diktiergerät und säumt mit dieser kryptischen Formel Beginn und Ende des mit Soundeskapaden, Bläser- und Streicherarrangements, sowie drangsalierten Gitarrenwänden überbordende Två (schwedisch: zwei), dem einzigen Stück des Albums, welches in der Muttersprache betitelt ist. Doch das Stück gibt die Richtung vor, welche die anderen Kompositionen gehen werden. Mäandernde Sounddrones und sich oft minutenlang haltende Klangwände stehen Momenten melancholischer, an Weltschmerz grenzender Inszenierungen der Zerbrechlichkeit gegenüber. Das alte Spiel zwischen pianissimo und forte fortissimo ist vermutlich älter als die Musiker selbst, doch wissen auch sie die Fragilität eines Glockenspiels und gehauchter Gesangslinien mit der Wucht stakkatoartig gespielter Gitarren zu kontrastieren. Die sich hieraus ergebende Dynamik ist letztlich das wesentliche Charakteristikum der Band.

Das ist alles nichts Neues und kann in musikhistorischer Hinsicht deshalb sicherlich als belanglos übergangen werden. Doch würde man dem Quintett damit überhastet Unrecht tun. Die Spielwiese des Postrock eröffnet auf der einen Seite einen hohen Grad an individueller Freiheit, die sich aus dem Loslösen und Überwinden veralteter Strukturen ergibt. Doch scheint sie gleichzeitig ihrerseits eine bestimmte Herangehensweise zu oktroyieren, die sich aus der Rezeption der stilprägenden Künstler ergibt. Auch EF stehen in Kontext und Tradition von My Bloody Valentine, Godspeed You! Black Emperor oder Mogwai. Und während sich die beiden Erstgenannten vielleicht aufgrund der Gefahr steter Reproduktion ihrer selbst auflösten – oder in einer unbestimmten Schaffenspause befinden, wie man will – mahnt man gerade letztgenannten an, dass sie eben jenes alte laut/leise Spiel, welches sie doch auf unübertroffene Weise auszeichnete, nicht mehr ausführlich genug bedienen. Der Hunger nach eben jener direkten emotionsgeladenen Songstruktur scheint also weiterhin zu bestehen, und für all jene, die nach dieser Spielweise dürsten, bieten EF ein gelungenes Konzept. Der Aspekt der proklamierten Verantwortlichkeit im Albumtitel ließe sich auf diesen Gedanken strapazieren, doch steht er sicherlich weniger im Kontext dieser Meatebene, als vielmehr im hermeneutisch verschlossenen Kosmos der Band selbst. „The manifesto is, there is no manifesto."

Zum anderen sind da die inzwischen zum siebenköpfigen Ensemble herangewachsenen Gregor Samsa, die mittlerweile in Brooklyn zuhaue sind. Markantestes Stilmittel dieser Band war bereits auf dem Debüt Album „55:12" und auf den diesem vorangehenden EPs, der zweistimmige, meist elegische Gesang von Champ Bennett und Nikki King, den beiden Gründungsmitgliedern der Band. Auch auf dem aktuellen „Rest" betitelten Album, welches via Email komponiert und dann über acht Monate hinweg tatsächlich eingespielt wurde, ist nichts von dessen fragiler, anmutiger Haltung verloren gegangen und doch hat sich viel verändert. Am augenscheinlichsten ist sicherlich, dass die Gitarre, jenes stilprägende und fast mythisch aufgeladene Symbol all dessen, was den Namen Rock in sich trägt, aus den neun Kompositionen (fast) verschwunden ist. Minimalistische Pianospuren und der allgegenwärtige und dennoch wohl plazierte Einsatz von Streichern sind an ihre Stelle getreten. Der nächste Schritt in der Metarmorphose Gregor Samsas. Über die Frage, ob das Ergebnis dann noch Postrock heißen soll, dürfen gern andere streiten.

Das Moment der Entschleunigung, die zeitlupenhafte Entfaltung der einzelnen Stücke hingegen haben sich verstärkt. „Rest" setzt, seinem programmatischen Titel alle Ehre machend, da an, wo Stücke wie Loud And Clear oder We'll Lean That Way Forever vom genannten Vorgängerwerk noch fragmentarisch im Hintergrund blieben. Die eruptive Wucht solcher Kompositionen wie Young And Old - dort eben bereitet durch Gitarre und Schlagzeug - ist auf dem Zweitwerk wenn überhaupt, vielleicht schemenhaft im zentralen Stück Jeroen Van Aken wiederzufinden, bei dem Bennett und King mantraartig die Formel „All things come and go, but we won't, no we won't break" beschwören; Wenngleich beschwören die dezente, zaghafte Intonation der beiden bei weitem übertreibt. Oder in First Mile, Last Mile, dem zunächst von einem marschartigen Schlagzeugrhythmus – auch dieses Instrument eine Seltenheit auf dem neuen Werk – getragenem Stück, welches sich im Verlauf in verzerrte Rückkopplungen entlädt und welches sicherlich einen Bruch, einen bewusst gesetzten Makel im Gesamtwerk darstellt. Die Dichte in der Entwicklung der anderen Stücke wird hingegen allein durch den voluminösen Einsatz von unterschiedlichen Streichinstrumenten, Piano, Celesta, Melotorn, Klarinette, Vibraphon und manch unkonkretem elektronischen Klang erzeugt. Kaum etwas scheint noch im Vordergrund zu stehen, alles wird zu einer Gesamtheit, einer Vielheit im Hintergründigen verortet. Alles bleibt Unbestimmt, Schwebend und doch bewahren sich Gregor Samsa in ihren Arrangements mit kleinen Unstimmigkeiten, Dissonanzen und Rauschen im Detail immer wieder davor, ins rein elfenhaft Verkitschte abzudriften. So geben sie sich am Ende zwar mit gelungen großer Geste versöhnlich, wenn sie mit dem schon fast kindlich naiven Du Meine Leise sonnenuntergangsgleich ihr Album beschließen, doch bleibt der verzückende Ausklang des Märchens im Detail trotz vordergründiger Streicherharmonien, mehr im Stile eines Lemony Snicket oder Philip Ardagh. Die unzufriedene Beklemmung, das unartikulierte Unbehagen bleiben bei Gregor Samsa stets mitgedacht.
foto:

ef
"i am responsible"
and the sound records 2008 cd
ef

gregor samsa
"rest"
own records 2008 cd / lp
gregor samsa

weiterlesen...

Sonntag Nachmittag [April 2008]







fotos: manuel kaufmann

weiterlesen...